Paris, weiter
Gianni Kuhn (*1955) aus Frauenfeld ist Künstler, Fotograf, Musiker, begnadeter Sammler von Alltäglichem und vor allem Schriftsteller. Unter anderem eines Gesamtkunstwerks: Was, wenn sich Romanfiguren plötzlich gegen die Regie auflehnen und in ihrer Selbständigkeit die eigene Geschichte weiterspinnen? Gar den Autor aus der Geschichte verdrängen, bis dieser zwischen den eigenen Zeilen verschwindet und als vermisst gilt? Wenn sie plötzlich die belletristische Buchtrilogie erweitern, deren Protagonistinnen und Protagonisten sie sind, ein Buch mit einer Sammlung von Kurzgeschichten veröffentlichen oder Ausstellungen ins Leben rufen wie Anna Derungs? Im Val Lumnezia geboren, kürzlich in NYC ausgestellt, zeigt „die Herrin der Quadrate“, wie sie aufgrund ihres bevorzugten Fotoformats genannt wird, zum ersten Mal in der Baliere Fotografien in solarisierendem Schwarzweiss, die sie von ihrer Wahlheimat Paris mitgebracht hat. Eine erweiterte Auswahl von Fotografien präsentiert ihr französischer Band Bye-bye, Paris. Aber auch Gianni Kuhn hat aus seiner Lieblingsstadt Paris einen Fotoband, allerdings mit Farbfotos, mitgebracht. Der Titel lautet: Paris, weiter. Wie die Ausstellung. Rund zwanzig Fotos daraus zeigt er in der Baliere. Beide Fotobücher sind eine Liebeserklärung an die Stadt an der Seine, durch die sie/er unermüdlich auf Beutezug streift, Kamera im Anschlag, um instinktiv abzuschiessen. Anna Derungs und Gianni Kuhn sind mit der Fähigkeit ausgestattet, bei der Entstehung einer Szene vorauszuschauen, um im richtigen poetischen Moment abzudrücken und diesen in seiner vollen Pracht einzufangen. Die Abgebildeten bleiben, unwissend über ihr Schicksal, porträtiert auf einer Fotografie festgehalten.
Im Gewölbekeller der Baliere hat Gianni Kuhn seine Installation „Labo argentique“ aufgebaut. Bei rotem Dämmerlicht ertönt von irgendwoher die Musik ab Kuhns neuster CD „Promenades“. Im hintersten Kellerraum können wir im Video „Le stationnement“ beobachten, wie in Paris Autos geparkt werden. Während wir in Kuhns Romantrilogie des Verschwindens auf den Bücherseiten erfahren, wie die Welt der Worte durchbrochen wird, erleben die Besuchenden der Stadtgalerie Baliere die Wandlung von Fiktion zur Realität, wenn Pseudonym und Gianni Kuhn zu einer Person verschmelzen. Ein Auge fürs Detail, das Essentielle und die Liebe für Geschichten.
An der Finissage am letzten Tag der Ausstellung liest Gianni Kuhn aus seinem neusten Roman (seinem zwanzigsten Buch) mit dem Titel „Mein Café auf der anderen Seite der Seine“ vor. Nicht nur ein Roman, auch zwei Fotobücher, gerahmte Fotos an der Wand, Installation, Musik, Video. Bei Paris, weiter handelt es sich ganz offensichtlich um ein Gesamtkunstwerk.
(Text: Carole Isler, 2018)
Vernissage:
12.04.2018, 19:00 Uhr
Mit einer Einführung von Carole Isler (Kuratorin)
Buchpräsentation
Sonntag, 29. April, Türöffnung 11 Uhr
Um 11.30 Uhr liest Gianni Kuhn aus seinem druckfrischen Roman
„Mein Café auf der anderen Seite der Seine“, der in Paris spielt.
Anschliessend Apéro.
Ausstellung:
Dauer: 13.04.2018 - 29.04.2018
Öffnungszeiten:
Freitag 17 – 20 Uhr
Samstag 12 – 16 Uhr
Sonntag 12 – 16 Uhr
Kontakt:
giannikuhn@bluewin.ch
Download:
Einladungskarte Gianni Kuhn.pdf