Gedanken zur Stigmatisierung
Laura Luessi und KünstlerInnen aus den Ateliers - Living Museum Wil, Psychiatrie St. Gallen Nord sowie der Tagesstätte, Heimstätten Wil
„Ich habe Schizophrenie und ich stigmatisiere. (...) Ich stigmatisiere auch mich selbst. Es ist schwierig für mich, eine Arbeit zu suchen, da ich mir Vieles nicht zutraue. Auch bin ich gehemmt, Kontakte zu knüpfen aus Angst vor Ablehnung. Ich verschweige meine Krankheit, anstatt einen offenen Umgang damit zu pflegen.“
Eine junge Frau, eine psychische Krankheit und viel Mut, mit einer Ausstellung an die Öffentlichkeit zu treten. Die Motive ihrer Werke entstanden während schizophrenen Psychosen. Laura Luessi stellt diesen Zustand in kontrastierenden Zeichnungen in Farbe sowie in Schwarzweiss dar – diese erweiterte Wahrnehmung der Welt, wenn der Zusammenhang in Brüche geht und neue Relationen erstellt werden, wenn widersprüchliche Gefühle gleichzeitig auftreten, wenn einen die Zerfahrenheit überrennt. Bespielt werden die Räumlichkeiten der Baliere zudem von Werken, die in den Ateliers – Living Museum der Psychiatrie St. Gallen Nord sowie dem Atelier der Tagesstätte der Heimstätten Wil entstanden sind. Das Living Museum wurde vor 35 Jahren in New York initiiert. Seither überzeugt dieses Konzept, welches auf der Philosophie basiert, eine Identitätsveränderung vom psychisch Kranken zum Künstler zu erarbeiten. Die Patienten und Patientinnen werden hier weder über ihre Diagnose definiert noch werden ihnen Grenzen aufgezeigt, sondern ihr extrem kreatives Potential kann zur Entfaltung kommen. Sie werden in einer familiären, wertschätzenden Atmosphäre über einen längeren Zeitraum zu Kunstschaffenden ausgebildet. Solidarität ist dabei oberstes Prinzip. Mit ihren Werken werden Ausstellungen und Künstlerbiografien organisiert, damit sie sich als partizipativer Teil der Gesellschaft erfahren und vor allem die Gesellschaft über die künstlerischen Werke einen Spiegel vorgehalten bekommt. Die Herstellung der Kunst fördert therapeutische Effekte wie Spannungsabbau und Reduktion von Stress und agiert als authentische Ausdrucksform für Gefühle. Manch eine Technik erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem Material und sich selbst, kann eine Plattform zur Selbstreflexion eröffnen. Zudem werden die Sinne belebt, Blockaden gelöst, Ausdauer und Konzentration gefördert.
In Wil nutzen täglich ca. 100 Patienten und Patientinnen die Infrastruktur der vier verschiedenen Ateliers, bestehend aus dem Keramikatelier, Kunst- und Medienate-lier mit Theater- und MusikAtelier, Papieratelier, Werkatelier. Hier pulsieren Ideenreichtum und Schaffensdrang. Liebevoll gestaltete zarte Papierschnitte, lebensgrosse Plastiken, filigrane Holzobjekte, Bilder mit bewegendem Inhalt, Arbeiten aus Ton, Draht, Glas,... vielfältig wie die bewegten Biografien dahinter. Als Erholungsort lädt das Café Living Museum als Ergänzung zu den Kreativräumen ein. Das Atelier der Tagesstätte der Heimstätten Wil arbeitet nach den gleichen Prinzipien, etwa 25 Besucher und Besucherinnen nützen regelmässig das Atelier, um künstlerische Werke zu schaffen.
Dr. Rose Ehemann, Leiterin Ateliers – Living Museum und künstlerische Leitung des Ateliers der Tagesstätte, hat zusammen mit ihrem Team und in Absprache mit den Kunstschaffenden repräsentative Arbeiten aus dem reichen Materialkonvolut ausgewählt. Diese vielfältigen Positionen vermögen mit der bildnerischen Ausdrucksform zu berühren, überzeugen mit der Sichtbarmachung emotionaler und physischer Zustände oder der Qualität. Freude am Experimentieren überwiegt die Anforderung, eine perfekte Bildwelt darzustellen. Authentische Aussenseiterkunst. Oder auch Produkte von der Verarbeitung des Seins hin zur Selbstfindung. Auffallend präsent sind Abbildungen des Körpers in verschiedensten Auftrittsformen. Der Entwicklungsprozess und das Wohlbefinden des Menschen stehen im Vordergrund. Geschichten, Herausforderungen, viel künstlerisches Potential und ein gemeinsames Ziel: mit der Ausstellung «Herzgespinste» das Verständnis für psychische Krankheiten verbessern, die Wichtigkeit von Kunst und Therapie thematisieren und vor allem Antistigmatisierung. [Text: Carole Isler, 2018]
Vernissage:
04.10.2018, 19:00 Uhr
Begrüssung von Loretta Giacopuzzi Schätti, Mitglied der Geschäftsleitung der PSGN
Einführung von Dr. Rose Ehemann, Leiterin Ateliers – Living Museum, PSGN
und künstlerische Leitung/Beratung Atelier Tagesstätte, Heimstätten Will
Ausstellung:
Dauer: 05.10.2018 - 28.10.2018
Öffnungszeiten:
Freitag 17 – 20 Uhr
Samstag 12 – 16 Uhr
Sonntag 12 – 16 Uhr
Kontakt:
lauraluessi@gmx.ch
www.psgn.ch/therapien/kunsttherapien/ateliers-living-museum-wil
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